Fachpresseschau

Fachzeitschriften

Die Fachzeitschriftenauslese bietet einen Überblick über strafrechtsrelevante Beiträge aus juristischen Fachzeitschriften. Durch die aktuelle Auswertung von juristischen Fachzeitschriften wird ein zeitnaher und umfassender Überblick über aktuelle Entwicklungen des Strafrechts sowie über kommentierte Gerichtsentscheidungen geboten.

Festschriften

Die Veröffentlichung eines Beitrags in einer Festschrift gilt vielen aus Sicht der Praxis als »Beerdigung erster Klasse«. Doch manches dogmatisch oder rechtspolitisch besonders dicke Brett wird dort gebohrt und kann dem Verteidiger wertvolle Anregung und Hilfe geben. Deshalb wird, beginnend mit Jahrgang 2018 des Strafverteidiger (vgl. StV 2018, 261), in der Regel zweimal jährlich die bewährte Fachzeitschriftenauslese durch einen Überblick über die im Vorjahr erschienenen Festschriften ergänzt.

  

Auslese wichtiger Fachzeitschriftenbeiträge
 

Strafrecht

Wirtschaftliche Grenzmoral
Wenzl wistra 2024, 51

Mit Blick auf die aktuellen Cum/Ex-Verfahren fragt sich Verf., ob die Graustufen wirtschaftlicher Grenzmoral inzwischen zu einer zunehmenden Moralisierung durch die Strafjustiz geführt haben, wobei er zu dem Ergebnis kommt, dass es sich hierbei um eine Fehlwahrnehmung handelt.


StGB §§ 2, 261, 263, 265c, 265d, 284 ff.; AO § 370
Entkriminalisierung des Glücksspiels
Gierok/Tsambikakis HRRS 2024, 42

Nachdem das BMJ am 23.11.2023 ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des StGB veröffentlicht und darin überraschend vorgeschlagen hat, die Straftatbestände der §§ 284 ff . StGB aufzuheben, beleuchten die Autoren, welche Folgen dies für laufende und abgeschlossene Strafverfahren hätte und welche Möglichkeiten dann noch verblieben, unerlaubtes Glücksspiel zu bestrafen.


StGB §§ 3–7, 9, 284, 287
Tatort beim Online-Glücksspiel
Kudlich/Oğlakcıoğlu wistra 2024, 45

Bezugnehmend auf die Beiträge von Gierok wistra 2022, 321 und Kümmel wistra 2023, 228 befassen sich die Autoren mit der Frage nach dem »Tatort« bzw. der »grenzüberschreitenden « Strafbarkeit von Glücksspielveranstaltungen, die auf ausländischen Servern betrieben werden.


StGB §§ 8, 22, 25 Abs. 1 Var. 2
Mittelbare Täterschaft
Busch GA 2024, 77

Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob es im Hinblick auf die Zeit der Tat nach § 8 StGB als auch den Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft maßgeblich auf das eigenhändige Verhalten des mittelbaren Täters oder (auch) das Ausführungsverhalten des Tatmittlers ankommt.


StGB §§ 43, 46, 56c, 59a, 64, 67; StPO §§ 153a, 459e, 463, 463d u.a.
Sanktionenrecht
Baur NStZ 2024, 74

Autor ordnet die neuen sanktionsrechtlichen Regelungen ein, die durch das Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Aufl agen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – am 22.06.2023 verabschiedet wurden.


StGB §§ 223, 228
Sittenwidrigkeit der Körperverletzung
Magnus NStZ 2024, 71

Autorin kritisiert neue Tendenzen in der Rspr., das Sittenwidrigkeitsurteil i.S.d. § 228 StGB bei verabredeten Schlägereien von stillschweigend getroff enen Absprachen abhängig zu machen, welche eine Gewähr zur Verhütung schwerer Gesundheitsgefahren
bieten sollen.


StGB § 261
Geldwäsche
Weisser, N.-F./Bliesener NZWiSt 2024, 41

Der Beitrag erklärt zunächst die Entstehungsgeschichte, Funktionsweise und Regulierung der sog. Non Fungible Tokens (NFT) und anschließend die Nutzungsmöglichkeiten für die Geldwäsche der organisierten Kriminalität.


StGB §§ 267, 277 a.F.
Fälschung von Gesundheitszeugnissen
Zieschang GA 2024, 94

Es handelt sich um eine Besprechung von BGH, Urt. v. 10.11.2022 – 5 StR 283/22, BGHSt 67, 147 der darüber zu entscheiden hatte, in welchem Verhältnis die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gem. § 277 StGB a.F. zur Urkundenfälschung nach § 267 StGB stand.


StGB § 339
Weimarer Fall
Hoven/Rostalski NStZ 2024, 65

Autorinnen setzen sich mit den Grundlagen der Rechtsbeugung nach § 339 StGB in Fällen angenommener Befangenheit auseinander und ordnen anschließend das Urt. des LG Erfurt v. 23.08.2023 – 2 Kls 542 Js 11498/21 ein, welches einen Familienrichter aus Weimar zu einer Freiheitsstrafe von 2 J. verurteilt hat, nachdem dieser in der Maskenpflicht für Schulkinder eine Gefährdung des Kindeswohls
i.S.v. § 1666 BGB gesehen und deshalb per Eilverfügung die Maßnahme in mehreren Schulen untersagt hatte.


AO §§ 370, 371
Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung
Ott PStR 2024, 42

Anhand eines praktischen Falles wird geschildert, was bei einer Selbstanzeige für ein Depot auf den Cayman Islands zu beachten ist.


AO §§ 370, 371; StGB §§ 46, 46a, 73
Steuerstrafrecht
Rolletschke/Stürzl NZWiSt 2024, 47

Verf. geben eine Übersicht über die im 1. Halbjahr 2022 ergangene Rspr. im Steuerstrafrecht.


Strafverständnis im Völkerstrafrecht
Stahn ZfIStw 2024, 24

Verf. wirft die Frage nach dem Sinn der Bestrafung von Völkerrechtsverbrechen auf und plädiert u.a. für ein kommunikatives und relationales Strafverständnis und die Weiterentwicklung des Strafvollstreckungs- und vollzugsrechts im Völkerstrafrecht.


Rom-Statut Art. 25 Abs. 3 lit. e; StGB §§ 3 ff., 111
Russische Propaganda
Seel ZfIStw 2024, 32

Autor untersucht, ob die Inhalte der aggressiven russischen Propaganda im Zshg. mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine als Aufstachelung zum Völkermord nach Art. 25 Abs. 3 lit. e Rom-Statut und nach deutschem Völkerstrafrecht strafbar sind.


MPDG §§ 3, 11, 92; BGB § 276 Abs. 2
Kunstgerechtes Operieren
Valerius GA 2024, 61

Verf. prüft, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Ärzt*innen die Ratschläge von KI-Systemen beachten müssen.

Verfahrensrecht

StPO § 29
Wartepflicht bei richterlicher Selbstanzeige?
Wachter JZ 2024, 154

Mindestes im Erg. krit. Anm. zum Beschl. des BGH v. 26.09.2023 (5 StR 164/22 = StraFo 2023, 437).


StPO § 244
Beweisantragsrecht
Güntge StraFo 2024, 38

Dieser Beitrag, der auf einem Vortrag des Verf. am 10.11.2023 anlässlich des 40. Herbstkolloquiums der AG Strafrecht des DAV in Hamburg beruht, stellt zunächst die Änderungen des Beweisantragsrechts seit 2017 vor und setzt sich anschließend mit der Frage auseinander, ob dieses vom scharfen Schwert zum zahnlosen Tiger mutiert ist.


StPO § 244
Beweisantragsrecht
Habetha StraFo 2024, 41

In diesem Beitrag, der ebenfalls auf einem Vortrag anlässlich des 40. Herbstkolloquiums fußt, wird ein ambivalentes Bild beschrieben, welches das Beweisantragsrecht nach wie vor als ein scharfes Schwert bezeichnet, andererseits aber auf die besorgniserregende Bereitschaft des Gesetzgebers hinweist, das wichtigste Verfahrensrecht der Verteidigung zur Schonung knapper justizieller Ressourcen zu opfern.


StPO § 362 Nr. 5; GG Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 3
Verfassungswidrigkeit des § 362 Nr. 5
J. Günther HRRS 2024, 47

Verf. stimmt BVerfGE 166, 359 = StV 2024, 1 im Erg. zu, widerspricht aber tlw. der Begründung.


StPO § 362 Nr. 5; GG Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 3
Verfassungswidrigkeit des § 362 Nr. 5
Gärditz; Grünewald JZ 2024, 96 und 101

Zwei weitere im Erg. zust. Anm. zu BVerfGE 166, 359 = StV 2024, 1.


E-Evidence-VO
Elektronische Beweismittel
Babucke wistra 2024, 57

Es handelt sich um einen Beitrag über die neue E-Evidence-Verordnung, welche die Erhebung elektronischer Beweismittel innerhalb der EU ab 2026 erheblich beschleunigen wird.


Leidener Richtlinien
Einsatz digitaler Beweismittel in internationalen Strafverfahren
Heinsch ZfIStw 2024, 2

In diesem Beitrag wird ein Überblick über das sog. »Digitally Derived Evidence« (DDE)-Projekt des Kalshoven-Gieskes Forums für humanitäres Völkerrecht (KGF) an der Universität Leiden gegeben, welches die unterschiedlichen rechtlichen Beweisstandards vor verschiedenen nationalen und internationalen Strafgerichten untersucht und die Leiden-Richtlinien entwickelt hat.


KSC/SPO-Gesetz
Kosovo Specialist Chambers (KSC)
Meisenberg ZfIStw 2024, 11

In dieser RÜ werden die wichtigsten Entscheidungen der KSC-VerfGK und der 1. Rechtsmittelkammer (Court of Appeal) in Bezug auf das Mandat, die Zuständigkeit und die Anwendbarkeit des Völkergewohnheitsrechts vor den KSC vorgestellt.


UCC (Ukrainian Criminal Code) Art. 43, 438, 442
Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine
Hoffmann ZfIStw 2024, 21

Autor berichtet über die Arbeit der Atrocity Crimes Advisory Group (ACA), einer internationalen Beratergruppe, die die ukrainischen Ermittlungs- und Justizbehörden bei der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen unterstützt.

 

Jugendstrafrrecht

JGG § 17 Abs. 2 Hs. 2
Erzieherische Notwendigkeit
Eisenberg/Kölbel NStZ 2024, 79

Autoren lehnen den Anfragebeschl. des 5. StS v. 13.09.2023 – 5 StR 205/23 = StV 2024, 125 ab, der bei Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 JGG auf die Voraussetzung einer erzieherischen Notwendigkeit neben der Schuldschwere verzichten will.

Vollstreckung & Vollzug

StPO §§ 459g, 459c; StGB §§ 79-79b
Unterbleiben der Vollstreckung
Bittmann NZWiSt 2024, 51

Autor bespricht zunächst das Urt. des BGH v. 15.06.2023 (III ZR 178/22) und stellt im weiteren Verlauf klar, dass sich die Einstellung der Vollstreckung im Fall der Leistungsunfähigkeit Verurt. ausschließlich nach § 459g Abs. 2 i.V.m. richtet, während eine gerichtliche Unterbleibensanordnung nach § 459g Abs. 5 S. 1 StPO eine zumindest partielle Leistungsfähigkeit des Verurteilten voraussetzt.

Kriminialpolitik

GwEG-E §§ 1, 4, 39
Geldwäscheermittlungsgesetz
Teutemacher PStR 2024, 37

Beitrag beschreibt zunächst die Schwachpunkte bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität und geht sodann auf den aktuellen Entwurf des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes (FKBG) ein (BR-Drs. 506/23), das u.a. eine neue Bundesoberbehörde (»Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität«) und ein neues Ermittlungszentrum Geldwäsche (gem. Geldwäscheermittlungsgesetz – GwEG-E) vorsieht.


StPO §§ 32–32f, 103, 110 u.a.; StGB § 353d
Digitalisierung
BRAK BRAK-Mitt 2024, 12

Vorgestellt werden die Reformvorschläge des Ausschusses Strafprozessrecht der BRAK für das Strafrecht und das Strafverfahren angesichts der Digitalisierung, die sich insb. auf die Führung von und die Einsicht in elektronische Akten, den Einsatz neuer – insb. auf künstliche Intelligenz gestützte –Ermittlungsmethoden und die Einführung einer audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung beziehen.


RL-Vorschlag
Ökozid
Nakane ZfIStw 2024, 45

Autor befasst sich mit dem Inhalt des RL-Vorschlags 2021 der Europäischen Kommission, der den Ökozid als transnationalen Verbrechenstatbestand einführen möchte.


Politisierung des Strafrechts?
Kubiciel JZ 2024, 167

Verf. krit die – z.B. in der »Debatte um den zivilen Ungehorsam « (insb. zur »Letzten Generation«) – aufkommende Forderung nach einer »materiellen, an politischen Zielen orientierten Strafrechtsinterpretation«: Die Politisierung der Strafrechtsanwendung »zu vermeintlich guten Zwecken« unterminiere das Vertrauen in den Rechtsstaat und gefährde die Freiheit. Die Forderung nach einer  Strafrechtsanwendung, die »vom Einzelfall und seinen politischen Hintergründen abstrahiert« und das Beschwören der »entpolitisierenden Wirkung der Dogmatik« blendet allerdings die Kategorien der politischen (Straf-)Justiz und der politisch motivierten
Kriminalisierung völlig aus.


Prostitution
NK 2/2024

Div. kriminalpolitische und kriminologische Beiträge zum Schwerpunkt »Prostitution und Menschenhandel«, z.B. zur Evaluierung des Prostituiertenschutzgesetzes.


Containern entkriminalisieren
Lorenz/Baldauf NK 2024, 227

»Ist das Recht oder kann das weg?« Krit. Blick auf die kriminalpolitische Debatte zum sog. »Containern« mit Vorschlägen zu Lösungen abseits der Entkriminalisierung.

 

Kriminologie/Kriminalistik

Clankriminalität
Jaraba Kriminalistik 2024, 147

Die »kritische Perspektive« des Autors auf sog. »Clankriminalität « liegt darin, jenseits von Stereotypen die komplexen Familienstrukturen und -rollen verständig zu analysieren.

Hypersexualität
Müller, Marcus u.a. BewHi 2024, 147

Beitrag beleuchtet Diagnostik, forensische Relevanz und Behandlungsmöglichkeiten für »Hypersexualität und zwanghafte
sexuelle Verhaltensstörungen«.

Falsche Erinnerungen
Oeberst/Wachdendörfer/Suchotzki RPsych 2024, 184

Kommentar zum Beitrag von Jäckel/Orth (RPsych 2021, 113) zu falschen Erinnerungen in der Forschung und der Glaubhaftigkeitsbegutachtung mit der Forderung, auch die vorherrschende Aussageanalytik – bei Zweifeln an deren Validität
– empirisch zu evaluieren.

Risikoorientierte Bewährungshilfe
KrimJ 2/2024

Div. Beiträge im Schwerpunkt »Kritische Alltagsforschung«, u.a. zur risikoorientierten Rationalisierung Sozialer Arbeit (Kufner-Eger) bzw. zur Risikoorientierten Bewährungshilfe (Zimmermann, M.).